Erinnerungen an Bramborak, Musik und Hexen

30.. 9. 2023

Wolftraud de Concini im Restaurant U Stepana in Blatno

Gleich am ersten Abend gab es Bramborak, Kartoffelpuffer. Und da fühlte ich mich sofort heimisch. Noch am Tag vor unserer Abreise aus meinem Dorf in Norditalien hatte ich Kartoffelpuffer gegessen, tortei di patate heißen sie im Trentiner Dialekt, und jetzt, nach einer 700-Kilometer-Autofahrt in Nordböhmen angelangt, bekam ich Bramborak vorgesetzt. Wie ich sie in meiner Kindheit gegessen hatte. Ebenfalls in Böhmen. In einem Dorf im Riesengebirge.

Der Empfang in der Penzion Blatno ist herzlich. Martina Machtova, die Hotelchefin, führt uns in die für ein Dorfgasthaus ungewöhnlich großen und ungewöhnlich geschmackvoll eingerichteten Zimmer. In einem Dorf "hinter dem Walde“ eine gar nicht hinterwäldlerische Unterkunft.

Pension Blatno, restaurant U StepanaUnd dann das Restaurant, das Restaurace U Stepana. Diese sonderbaren Zufälle, die vielleicht keine Zufälle sind: Stepan Kloucek, der joviale Küchenchef, ist in Trutnov geboren. Wie ich. Und in Radvanice in die Schule gegangen. Wo wir bis zur Vertreibung gelebt hatten. Marie Klouckova, seine Frau, ähnelt Giulietta Masina, der Gelsomina aus meinem geliebten Fellini-Film "La Strada“. Und überwältigend freundlich und sympathisch ist ihre Tochter Veronika Tenglerova. Sie begrüßt uns mit selbstbemalten Kaffeetassen und verschönt den Esstisch mit Blumen und Lichtern.

 In einer Pause zwischen den Konzerten der Quinauer Musikfesttage und den Meisterkursen machen wir eine Wanderung den Berg hinauf, gegen den Kamm des Erzgebirges, der die nahe tschechisch-deutsche Grenze bildet. Am Weg Häuser mit den typischen spitzen Giebeln, mit farbigen Holzschindeln verkleidet. Auf der Straße spielen Kinder; denn hier ist kaum Verkehr und daher auch kaum Gefahr.
Weiter oben in den Bergen (die Alpengewöhnte wohl eher als Hügel bezeichnen würden) ein Nebelmeer wie auf einer Caspar-David-Friedrich- Landschaft.

Zur Zeit des Musikfestivals wird das Dorfgasthaus in Blatno zum internationalen Treffpunkt: von Musikern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Lettland und natürlich Tschechien, Gäste kommen von weit her aus Italien und von nahe über die tschechisch-deutsche Grenze. Alena Hönigova, die Organisatorin, und Iveta Rabasova Houfova, die aktive, weitblickende Bürgermeisterin werden sich auch für das kommende Jahr schon etwas einfallen lassen, um das 500-Seelen-Dorf Blatno mit diesem einzigartigen Musikfestival ins Gespräch zu bringen.

Und zum Abschied – zum Abschied von Alena, Jirka, Marta, Jan, Anna und anderen - sitzen wir im Wirtshaus zusammen. Wein, Bier, Sekt, Schnaps haben die Atmosphäre angeheizt und uns fröhlich gemacht. Und ein wenig melancholisch. Morgen geht es aus der Penzion Blatno, die ein paar Tage lang das Zentrum unserer Welt war, weiter. In verschiedene Richtungen.
Na shledanou! Im nächsten Jahr.

Im Dorfpark bleiben Statuen von Bildhauersymposien zurück. Darunter eine Drude mora. Und da schließt sich der Kreis: eine Drude ist eine Hexe. Auch im ladinischen Teil des Trentino. Wo wir herkommen. Und wo es auch gute Kartoffelpuffer gibt. Bamborak.

Wolftraud de Concini