Marianische Kantaten von 1707

Lasse deine Frau und deine Kinder von mir grüßen, und sei gewiss, dass ich oft an dich denke, in der Hoffnung auf deine Gesundheit, deinen Frohsinn und dein Wohlergehen, wenigstens halb so viel wie ich hier im italienischen Lande. Meine Reise hat bereits das letzte Ziel meiner Wallfahrt erreicht, und ich habe keine Worte, um dir zu sagen, wie himmlisch diese Gegend und diese Stadt sind. Die ewige Stadt des Ruhms ist Roma, wie man zu italiano sagt. Aber wenn ich meine Augen von der weltlichen Pracht abwende, möchte ich dir, dir allein, von der Nahrung des Geistes erzählen, die ich hier erfahren habe.
Wenn du dich an die Feier der Gottesdienste in unserem Lande erinnerst, so ist bekannt, dass wir das ganze Kirchenjahr hindurch mit Gesangbücher singen, denn fündig sind wir der richtigen Lieder für jede Sache, die im Jahr gefeiert wird. Hervorragende Meister und Schreiber haben die Musik und die Worte dazu komponiert, und wir singen sie immer noch, obwohl viele Jahre zwischen uns und ihrer Komposition liegen. Sicherlich kennst du die Gesänge, die ein gewisser Ritter von Otradowitz, genannt Michna, schrieb, aus dessen Werk die Lieder auch in den neuen Gesangsbüchern abgedruckt werden.
Gerade als ich diese Lieder hörte, fühlte ich mich Gott nahe und mein Herz brannte vor Ehrfurcht vor diesem begabten Mann, der ein solches Band zwischen Himmel und Erde knüpfen konnte. Friede sei mit seiner Seel. Aber ich möchte dir von meinem Erlebnis erzählen, welches dem ähnelt, das mir hier widerfahren ist.
Es geschah, dass ich in die Kirche kam, in der ein gewisser Komponist aus Hamburg seine Marienlieder spielte, und ich hatte die Gelegenheit, sein Werk zu hören. Ich sage dir, das Gefühl, welches sich auf meine Brust legte, war dem ähnlich, welches ich während des Gesangs von Michna hatte, aber da war noch etwas mehr als das. Eine süße Schwere färbte meine Wangen rot und trieb mir die Tränen in die Augen. Ich war geborgen, aber betrübt. Ich war traurig, aber ich war freudig. Oh, ich kann es nicht beschreiben! Ich glaube, dass nur die gnädige Jungfrau Maria oder der gnädige Gott auf diese Weise den menschlichen Verstand umgehen und eine solche Musik des Lobes inspirieren kann, die das Eis der Furchtbarkeit zum Schmelzen bringt, die dann wie Bächer durch den verzweifelten Menschen fließt und sein Herz in einen paradiesischen Obstgarten verwandelt.
Ja, das glaube ich, trotz des Geredes von der Verschwörung mit dem Teufel, denn kann Gott nicht Wunder wirken in unserer Zeit? Und Gott in der Höhe ist das wahre Verwunderung, welcher die böhmische Marienmusik hat entstehen lassen und auch den neuen Diskantus, ebenfalls marianisch in der neuen Musik, damit die Braut für immer verherrlicht wird, weil sie den Sohn gezeugt hatte.
Hier werde ich dieses Schreiben beenden. Mehr als diese Gabe kann ich dir nicht geben. Vielleicht kann ich noch dazusagen, dass der Hamurger, von dem ich denke, dass er Händler heißt, und ein gewisser Maestro Ferrandini reichlich in den Mündern der Menschen sind, aber desweiteren weiß ich nicht, oder warum das so ist. Nun denn, mein lieber Freund, sei gesund, und mögen die Engel deine Schritte leiten.